Brauchen Menschen mit Übergewicht wirklich nur Informationen oder Operationen?

Die Extreme sind mittlerweile sehr krass und deutlich wahrnehmbar.

Da gibt es die ganzen Ernährungspolitiker, Ernährungskommunikatoren und teilweile sogar Mediziner und viele Ernährungsfachkräfte selbst, die noch der einhelligen Meinung sind:

  • Dicke essen das Falsche
  • Dicke essen zu viel
  • Dicke bewegen sich zu wenig
  • Dicke sind faul

Und das was gemacht wird, ist Menschen zu belehren! Es soll an Informationen, an Tipps, und Tricks und guten Lösungen mangeln wird behauptet und dass es Gruppenkurse richten sollen.
Die Folge: Noch mehr Informationen, noch mehr Wissensvermittlung, noch mehr Gießkannenprinzip und noch mehr – haarscharf am Menschen vorbei!

Mittlerweile halte ich es für skandalös, wie respektlos und verachtend mit adipösen Menschen umgegangen wird. Wenn es nicht „funktioniert“ mit der Menschen-Reparatur, dann ist folgender Satz schnell herbei geholt: SELBST SCHULD!

Die Operationen sollen es richten.

Die Bariatrie gilt zwar noch als „Ultima Ratio“ der Adipositasbehandlung, doch so recht möchte ich das nicht mehr glauben, denn die OP Steigerungsraten sind immens. Manche Kliniken operieren quasi am Fließband, 800% Steigerungsraten pro Jahr sind keine Seltenheit mehr. Diese „Behandlung“ gilt als einzige Methode, die „Gesundheit herstellt“, also „heilt“. Alles andre „bringt ja doch nichts.

Ja wirklich?

KEINE Individualisierung, KEINE persönliche Behandlung.

Würden Sie sich mit einer kaputten Waschmaschine in einen Kurs stecken lassen, in der man lernt, wie Waschmaschinen nach Schema F wieder funktionstüchtig werden? Würden Sie sich einen Haarschnitt verpassen lassen, der für alle Menschen GLEICH wäre? Was hielten Sie davon, wenn man ihnen Auto fahren nur in Theoriekursen beibringen würde und was glauben Sie: Wie sinnvoll wäre es alle Menschen mit irgendwelchen Krankheiten nur zu INFORMIEREN, aber sie nicht zu BEHANDELN?

Es gibt keinen Gesellschaftsbereich mehr in dem so sehr am Menschen vorbei gehandelt wird, wie im Gesundheitswesen.

Gestern erzählte mir eine Patientin, dass sie in der Uniklinik war und 8 Std. auf Fluren saß, bis sie endlich dran kam. Diese Frau ist 80 Jahre alt! Nach 2 Std. teilte man ihr mit, dass sie noch gar nicht angemeldet sei, sie müsse ins Obergeschoss. Hier sei sie falsch! Es dauerte weitere 6 Std. bis sie endlich wieder nach hause kam. Kein Mensch hat ihr Wasser angeboten, kein Mensch ihr erklärt, wie das vor sich geht, kein Mensch da, der sie getröstet hätte, oder gar ermutigt!

Was für ein Benehmen, was für ein Irrsinn, was für eine Unmenschlichkeit.

Und was erzählt mir eine Patientin mit BMI 45? Sie sitzt bei mir im PRÄVENTIONSKURS, sprich einem Kurs in dem Leute sitzen, mit ein paar Kilos Übergewicht. Kein Mensch hat ihr

 

  • gesagt, dass sie diesen Kurs gar nicht besuchen darf. Aber genau die die sagen, sie dürfe nicht in den Kurs, weil ein Präventionskurs laut Leitfaden Prävention nicht für Adipöse ist!, sind diejenigen, die sie in den Kurs schicken! Ihre eigene Krankenkasse.
  • ihr niemand (weder Arzt , noch Krankenkasse) sagt, dass Sie auch Einzeltherapie in Anspruch nehmen kann, ganz individuell auf SIE abgestimmt und
  • der Arzt sie verletzt und  beleidigt, weil er ihr auf den Kopf zusagt, dass bei ihr eh nichts anderes mehr etwas bringen würde, als eine OP.  Sie bekäme das nicht mehr in den Griff. Sie soll sich operieren lassen.

Menschen mit Adipositas essen nicht immer das FALSCHE und sind meist recht gut informiert, zumindest über die Dinge, die in gängigen Kursen und Informationskanälen zu bekommen sind.
Menschen mit Adipositas essen nicht immer ZU VIEL! Das ist einfach eine Lüge und eine  bodenlose Frechheit. Manche Menschen essen bei den Mahlzeiten auch häufig zu wenig!
Und manche Menschen mit zu viel Gewicht nehmen Medikamente, die zu Gewichtszunahmen führen.
Und mit Verlaub! 60% des Problems sind die GENE. Wer die Veranlagung dazu hat, der muss sich noch mehr anstrengen, als die, die diese Veranlagung haben.

Und bei Vielen ist der Stresspegel so hoch, die Stoffwechsellage so auf Hab-Acht-Stellung, sprich im „Survival-Modus“, dass abnehmen schlicht und ergreifend im evolutionären Notfallprogramm einfach nicht vorgesehen ist.

Hinter jedem Übergewicht steckt ein Schicksal, eine persönliche Geschichte, stecken Schuldgefühle es nicht allein bewältigen zu können und Versagensängste, es wieder nicht zu schaffen, sowie häufig ein geringes Selbstwertgefühl. Und in den meisten Fällen traumatische Ereignisse in der Kindheit! Und das müssen keine Katastrophen sein, um negativ zu wirken.

Du bist schon  FETT genug, jetzt hör auf zu FRESSEN und heimlich zu essen!

Das Mädchen, das gestern da war hat erzählt, dass dieser Satz aus dem Mund des eigenen Vater s kommt und das mehrfach.
Der Junge, der vor zwei Tagen da war, berichtet, dass die Mutter einfach nur an ihm rumnörgelt. ER könne dies nicht, mache jenes nicht, wäre zu dies oder jenes.
Kränkungen, Beleidigungen, sind Verletzungen, die mehr oder weniger verheerende Folgen haben.

  • Sie zerstören die Bindung zum geliebten Menschen
  • Sie schaden dem Selbstbewusstsein und der Fähigkeit sich selbst zu regulieren
  • Sie sabotieren den Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung uvm.

Und damit kommt der Mensch in ein Dilemma:
Essen ist TROST für so manche Verletzung, doch je mehr gegessen wird zum Trost oder zur Befriedigung anderer unerwünschter Emotionen, je schlimmer wird dieser Teufelskreis. Denn man will doch nur eins: GELIEBT werden, wie man ist! Und so verwundert es nicht, dass Menschen, die so etwas in Ihrer Kindheit erlebt haben den Zugang zu ihrem Körper, zu ihren Gefühlen, zu ihrer Wahrnehmung und das Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten eingebüßt haben.
Adipösen Menschen dann auch noch zu sagen, sie seien undiszipliniert, oder „kapieren“ immer noch nicht, was gesunde Ernährung ist, ist verachtend und führt zum Gegenteil. Essen ist und bleibt der einzige Ausweg aus der Verletzungsfalle.

Heißt das, dass alle Menschen mit Adipositas zum Psychologen müssen? Nein! Denn viele sin nicht psychisch krank, sondern leiden am GANZ NORMALEN LEBENSWAHNSINN.
Trennungen, Scheidungen, Seniorenpflege, lieblose Partnerschaften, kranke Partner, finanzielle Sorgen und Nöte, kranke Kinder etc. genügen, um Menschen an die Grenze der Belastbarkeit zu bringen. Es benötigt keine Dramen, um Trost im Essen zu finden, damit man weiter „funktioniert“.

prof e.a.t Berater verstehen etwas von Essverhalten und sind pädagogisch-psychologisch ganzheitlich geschult.
Wir hören ihnen zu, wir nehmen uns viel Zeit, wir wollen Sie und ihre Schwierigkeiten mit dem Essen, dem Leben verstehen und erst dann wenn wir  und SIE ganz genau  Bescheid wissen, was da is(s)t, erst dann suchen wir nach Ihren persönlichen, ganz individuellen Lösungen…Sie sind nicht EIN ADIPÖSER, dessen Adipositas BEKÄMPFT  werden muss. Sie sind ein Mensch, der Schwierigkeiten hat und wo diese liegen wird sich erst in unserem Gespräch zeigen.

Wir publizieren regelmäßig:

Adipositasspiegel 2017:  Adipositaschirurgie und Essen. DEN Adipösen und DIE richtige Ernährung gibt es nicht.

Adipositasspiegel 2018:  Ernährungswissen reicht nicht aus! Ernährungspyramiden, richtige Handportionen und Informationen ändern kein Verhalten.